Stoiber gibt schlechte Figur ab
Datum: Montag, 21. Januar 2002 um 11:49
Thema: Edmund Stoiber


Selbstkritisch genug ist der Kanzlerkandidat der Union, um einzugestehen, dass er gegen den Medienkanzler Schröder in dieser Disziplin nicht punkten kann. Er setzt deshalb, mit guten Kenndaten aus der bayerischen Heimat im Rücken, auf Wirtschaftskompetenz. Dennoch erkennt er die Zeichen der Zeit. Die politische Debatte findet für die Öffentlichkeit längst nicht mehr im Parlament statt, sondern jeden Sonntag bei Sabine Christiansen in der gleichnamigen ARD-Talkshow. Gestern nun lud Christiansen zum Ein-Mann-Gespräch mit dem Kandidaten.

Es war schon auffallend, wie nervös und unsicher Stoiber, äußerlich anfänglich ruhig und immer um diplomatischen Ton bemüht, Frage um Frage zu beantworten suchte. Auch die eingespielten Trailer der Sendung, gewohnt witzelnd gehalten, trugen nicht zu mehr Sicherheit bei, sondern nötigten dem Talkgast ein gezwungenes Lächeln ab.



So lange er in der Lage war, die wirtschaftspolitischen Fehler der Regierung Schröder anzuzeigen und in allgemeinem Ton Alternativen aufzuzeigen, ging der Plan auf. Als er jedoch von der Gastgeberin darauf angesprochen wurde, dass im Moment die Arbeitslosenquote in Bayern am stärksten im gesamten Bundesgebiet steige, begann Stoiber zum ersten Mal zu wanken und sprach seine Talkmasterin mit "Frau Merkel" an. Er habe am heutigen Tage bereits zweimal mit dieser telefoniert, rechtfertigte er seinen amüsanten Schnitzer.



Der nächste Patzer wartete beim Thema "Aufbau Ost". Zuerst behakelte er sich ein wenig überheblich mit einem thüringischen Kommunalpolitiker der PDS, der im zuletzt erzählen musste, dass man bereits mit Messer und Gabel und nicht mit Hammer und Sichel das Essen in seiner Gegend verzehre. Gelächter hier – unbeholfene Gestik beim Kandidaten da, der immer wieder betonte, dass es ihm nicht um einen Lagerwahlkampf ginge und er die Kategorien "links" und "rechts" für überholt halte.

Das muss er herausstellen, um den eigenen Makel des Rechtsaußen in der Union zu überschminken. Auch die Konfrontation mit Zeitdokumenten und seinem Spitznamen "blondes Fallbeil" brachten ihn weiter in Bedrängnis.

Richtig ins Stolpern geriet er dann, als er sich selbst dabei ertappte, bezüglich "Aufbau Ost" einen DM-Betrag genannt zu haben und sich damit entschuldigte, er sei so kurz nach der Umstellung noch nicht gewöhnt, den DM-Betrag mal zwei zu nehmen. Abgesehen davon, dass diese algebraische Leistung wohl eher gering zu schätzen ist, kann wohl nur einem Konservativen und langjährigen EU-Kritiker die "gute alte Mark" doppelt so viel wert sein, wie der neumodische Euro.



Zeichnung © by Ralf König, http://www.knollennasen.de
Die Lachnummer des Abends ging leider in zahlreichen "Ähs" und "Ehems" unter, die Stoiber immer häufiger von sich gab, je länger das Interview dauerte. Beim Thema Zuwanderung wurde ihm von Christiansen die Frage gestellt, was die Regierung noch an Entgegenkommen leisten müsse, um die notwendige Zustimmung der Union zu erhalten. Er wollte auf die "geschlechtsspezifische Verfolgung", eine ur-grüne Forderung und Teilen der Union ein Dorn im Auge, zu sprechen kommen, nannte jedoch die "gleichgeschlechtliche". Mag sein, dass man an bayerischen Stammtischen davon reden hört, so mancher würde "die Homos" am liebsten verfolgen und mag auch sein, dass man in Schwulenlokalen bei der nächtlichen Pirsch quasi "gleichgeschlechtliche Verfolgung" erleben kann.

Aber dieser freudsche Versprecher könnte zum Running Gag aufsteigen und ihm noch in zehn Jahren lachend vorgehalten werden.






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