Von der ungleichen Ungleichheit der Frauen
Datum: Dienstag, 03. Januar 2006 um 00:18
Thema: Probleme & Lösungen der Gesellschaft


Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Frau und dürfen weder Auto fahren noch einen Führerschein machen.

Unvorstellbar? Sie wissen es aufgrund neuer Literatur: zwar können Frauen wohl schlechter einparken, aber sicherer fahren sie doch, da sie mit dem Gaspedal gemäßigter umgehen. Mann sollte sich ein Beispiel nehmen. Auf manchen Flecken der Erde dürfen die Frauen nicht mal ein Beispiel geben.


In den westlichen Ländern wird darüber geredet, dass offiziell die Gleichberechtigung der Frau besteht, aber de facto ist es bis zum Gleichstand noch eine gewisse Wegstrecke. Manchmal ist die Männerdomäne in Bereichen großer Verantwortung noch prägnant. Ein kleiner Blick auf personelle Besetzungen in politischen Einrichtungen Großbritanniens oder in die USA veranschaulicht das: so hatte der Civil Service im Dienst der Regierung in Großbritannien im April 2000 einen Frauenanteil knapp unter 20 Prozent. In den beiden Parlamentshäusern der USA existierte ein Frauenanteil von 11,3 Prozent im Jahr 1995. Es gibt einige Bundesstaaten in den USA, die noch nie einen weiblichen Senator gestellt haben.

Aber der Westen geht voraus. Staaten im Orient wagen gerade ansatzweise den Schritt in eine Richtung, in der die Stellung der Frau angehoben wird. Saudi Arabien, ein mächtiger Partner der USA, fängt gerade an darüber nachzudenken, ob man Frauen doch Auto fahren lassen könnte. Auf dem Land sitzen Frauen vereinzelt am Steuer, aber in den Städten ist das derzeit undenkbar. In Kuwait dürfen Frauen noch nicht immer nicht wählen. In Afghanistan schafften es zahlreiche Frauen in die Loya Jirga ("Große Versammlung"), müssen aber Drohanrufe und Übergriffe fürchten. Im Iran kämpfen Rechtsanwälte und Frauenorganisationen für mehr Frauen- und Menschenrechte, doch derzeit scheint die Regierung jegliche Pläne, die in mehr Demokratie münden oder das weibliche Geschlecht aufwerten könnten, zu torpedieren. In Lateinamerika gilt vielfach noch die ungeschriebene Regel, dass die Frau zu Hause sein muss und der Mann arbeitet und zugleich Herr im Hause ist. Oft übt er seine Dominanz mit Gewalt aus. Die Ungleichheit kulminiert in bestialischer Gewalt gegen Frauen in Mittelamerika wie in Mexiko Juarez, ein Bundesland, in dem seit einigen Jahren junge Frauen zahlreich brutalen Morden zu Opfer fallen und die Aufklärungsquote quasi bei null liegt.

In einigen Ländern, in denen die Frauen das „Privileg“ einer rechtlichen Gleichstellung nicht geniessen können, steigt die Bevölkerung erheblich an. Pakistan und Iran gehören zu den Ländern mit den größten Geburtenraten der Erde. Leider können diese Länder keine deckende Versorgung ihrer Bewohner sicherstellen, besonders Pakistan nicht. Es dauert nicht mehr lange, dann wird Pakistan mehr als 200 Millionen Einwohner zählen. Wie will Pakistan in Zukunft eine bessere Versorgung seiner Bevölkerung sicherstellen?

Die Gleichstellung der Frau bringt einiges an Folgen mit sich: mehr Individualismus, mehr Singles, es geht Hand in Hand mit weniger Analphabetentum, ebenso mit schwächer steigender Bevölkerung. Ohne die Kausalkette erörtern zu wollen: mehr Recht und Gerechtigkeit zieht in die Gesellschaft ein und die Gewalt gegen das weibliche Geschlecht geht zurück. Es steht außer Frage, dass die Gleichstellung der Frau eine teilweise Kulturumwälzung mit sich bringt oder gar voraussetzt. Solche tiefgreifenden Veränderungen geschehen langsam, da breit angelegte Kräfte sie unterstützen müssen. Nicht jede Frau des Orients verlangt danach und auch die Bildung muss nicht bei allen Frauen bewirken, dass die bestehenden Verhältnisse grunderneuert werden müssen. Glaube und Sitte verhindern diese Sicht.

Die Ethnologie kennt Beispiele von Gesellschaften, in denen Frauen die Positionen in Verantwortung innehaben oder ihnen ein großes Mitspracherecht zugeteilt wird, in indianischen Stammesgesellschaften in Nordamerika und in ethnischen Gruppen in Afrika. Solche Gesellschaften sind in klarer Minderheit, aber inspirierend. Vielleicht hätten die Frauen in diesen Gesellschaften die Führerscheine zuerst gehabt. Stellen Sie sich das vor.





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