Schönen Gruss aus der lupenreinen Demokratie
Datum: Sonntag, 07. August 2005 um 18:09
Thema: Weltpolitik


Die Besatzung der "Nemo" ist gerettet und die Medien aus Allerwelt haben bestimmt ehrlicher und ausführlicher berichtet als es in Russland möglich war. Selbst die konformen Medien in Russland reagierten empört über die Verschleierungstaktik des Kremls zur Situation des kleinen U-Bootes.

Es ist noch mehr, dass über diese einwandfreie Demokratie verwundert. Zum Beispiel das Militär. Dort gehört es zum Inbegriff, dass Schmerz ertragen werden müsse. 216 Fälle von Totschlag waren es im Jahre 2003 und sie sprechen eine deutliche Sprache: das Militär ist verroht. Im Jahr 2004 haben im ersten Halbjahr 109 Soldaten des Militärs Selbstmord begangen. Für Leid und Schmerz der Soldaten gibt es eine eigene kuriose Einrichtung, die Soldatenmütter. Einige Soldaten, nicht viele, wenden sich an die Soldatenmütter, berichten von Erniedrigung und Brutalität: von Schlägen mit Stiefeln auf den Brustkorb, mit Gürtel und Gürtelschnalle auf die Schienbeine, mit Stöcken auf die Nieren und dem Hocker auf den Kopf. Die vorsichtigen Folterer wickeln sich nasse Handtücher um die Fäuste, damit die Praxis nicht durch zahlreiche Blutergüsse leicht ersichtlich wird. Neue Rekruten haben mit bloßen Händen die Toiletten zu putzen, werden gezwungen Zigaretten zu essen oder Chlorkalklösung zu trinken. Das russische Militär ist ein Gefängnis, dass mit seinen Gepflogenheiten Abu Ghraib mehr als das Wasser reicht - man hat es mit Hunderttausenden von Betroffenen zu tun - und mit Abertausenden von Folterern. Denn ein Rekrut, der ins zweite Jahr kommt, weiss nach dem ersten, wie man junge Rekruten zu behandeln hat.

Roher Umgang gilt auch den politischen Abweichlern. Mehr Demokratie ist in Russland nicht erwünscht, eher beugt der Kreml vor, indem er die Verfassung verbiegt und dem derzeitigen Präsidenten eine dritte Amtszeit ermöglichen will. Viel können politische Gegner nicht entgegensetzen, denn die Medien, das Parlament, der Geheimdienstapparat sind auf der Seite des Präsidenten. Abweichler, die im Parlament sitzen oder Journalisten, bekommen zu spüren, dass der Kreml sie mundtot machen will. Mit Kampagnen, Einschüchterungen, Verboten und Verleumdungen wird ihnen der ohnehin kleine politische Spielraum streitig gemacht. Dabei ist es nicht so, dass es die Bevölkerung nicht wahrnimmt. Aber sie verhält sich relativ still. Warum will der Kreml mehr Demokratie wie zum Beispiel in der noch lupenreineren Demokratie Deutschland verhindern? "Wir haben einfach nur Angst", erläutert Wladislaw Surkow, Strippenzieher im Kreml.

Mehr Demokratie haben die Machthaber des Kremls in den GUS nun gesehen, jüngst in der Ukraine. Dort war die Opposition stark genug, in Russland soll sie es wohl nie werden. Was sollte man auch anderes erwarten von einer Regierung, die gute Beziehungen zu der letzten Diktatur Europas pflegt, nämlich Weissrussland. Dort hat der Präsident seine dritte Amtszeit erreicht, nachdem er die Verfassung geändert hat. Diese Diktatur riegelt sich hermetisch ab. Auslandsreisen gewährt Weissrussland längst nicht allen Bürgern und Bürgerinnen, besonders nicht in den Westen. Diesem Land kann man nur eine ähnliche Entwicklung wie in der Ukraine wünschen. Sollten im Belarus demokratische Bewegungen sichtbar werden oder gar erstarken, würde es dem Kreml auch einfach nur Angst machen. Der Kreml verlöre möglicherweise einen wichtigen Partner, würde die Diktatur abgesetzt. Schönen Gruss aus der lupenreinen Demokratie.





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